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02
Sep

Heidesukzession – der Name fängt an, seinen Sinn erkennen zu lassen.

Viele Menschen blicken verwundert auf den Hang unterhalb des Naturfreundehauses in Bad Emstal. Was sind denn das für Naturfreunde, die den ganzen Wald abholzen? Eine berechtigte Frage, da ja Bäume jedes Jahr beträchtliche Mengen an CO² speichern. Also warum machen die das?
Zur Beantwortung der Frage gehen wir einmal gut 70 Jahre zurück. Sand war ein Ort, in dem vorwiegend Arbeiter und Handwerker wohnten. Zur Unterstützung des Einkommens und Ergänzung des Speiseplans hielten sich viele in den beengten Verhältnissen Ziegen, die Milch gaben und deren Nachzucht auch Fleisch lieferte. Diese Ziegen wurden tagsüber auf Gemeindeflächen – sogenannte Huten – getrieben, wo sie grasen konnten. Die Nacht verbrachten sie im Stall und wurden morgens und abends gemolken. Auf diesen Huteflächen entwickelten sich besonders artenreiche, nährstoffarme Pflanzengesellschaften mit Heidekraut – Büsche und Bäume hatten durch den scharfen Verbiss der Ziegen keine Chance sich zu entwickeln. So erinnern sich viele ältere Sander daran, dass ihr morgendlicher Weg zur Schule am Niedensteiner Weg über den Hang mit der großen Wiese führte. Das Naturfreundehaus wurden 1950 auf eben dieser Wiese erbaut.
Mit der zunehmenden Industrialisierung verlor diese Bewirtschaftung dann bald an Bedeutung, die Ziegen wurden weniger, bis sie ganz verschwanden und nun begann die Zeit der Büsche, die aber bald von Bäumen verdrängt wurden.
Vor diesem Hintergrund entstand 2020 bei den Naturfreunden die Idee, durch Ziegenbeweidung den alten Zustand wieder herzustellen und das Projekt „Heidesukzession“ (s. unten) wurde aus der Taufe gehoben. Dies sollte nicht ein Nachtrauern der „guten alten Zeit“ (so gut war die gar nicht) sein, sondern der Schaffung eines Lebensraumes dienen, der zu mehr Artenvielfalt beiträgt. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich auch die Heideflächen wieder einstellen. Das Gelände wurde eingezäunt, Ziegen zur Beweidung eingesetzt und der Baumbestand Zug um Zug entfernt. Zu Beginn der 3. Vegetationsperiode waren bis auf zwei Solitäreichen alle Bäume von der Fläche entfernt.
Am 23.8. haben Simone Bechtel (Biologin und Lehrerin) und Tom Gurtmann (Förster und Lehrer) eine botanische Bestandsaufname am Ziegenhang durchgeführt. Dabei haben sie zwei große Überraschungen erlebt:

  1. Ohne es genauer zu wissen, hatten sie sich auf ca. 20 verschiedene Pflanzenarten eingestellt. Gefunden und bestimmt haben sie aber 60!
  2. Die größte Überraschung war der Fund von Heidekraut an 5 verschiedenen Stellen!
    Da weder gesät noch gepflanzt wurde, müssen die Samen dafür den langen Zeitraum aus der Mitte des 20. Jahrhunderts überdauert haben – erstaunlich.
    Auch erstaunlich, dass in nur 3 Vegetationsperioden durch die Beweidung und Entfernung der Bäume der Sukzessionsprozess so weit fortgeschritten ist. Diese große Vielfalt stellt einen biologischen und ökologischen Schatz dar, weil zu jeder Pflanze wieder bestimmte Insekten gehören, die sie als Futterpflanze nutzen oder bestäuben. Dazu gehören wieder viele weitere Insekten, Spinnen oder höhere Tiere, die von diesen Insekten leben. Wenn man weiter ins Detail geht, finden sich natürlich weitere Organismen wie Pilze und Bakterien, deren spezifischen Bedürfnisse durch die Vielfalt an Pflanzen und Tieren befriedigt werden.
    Die NaturFreunde werden diese Entwicklung weiterverfolgen und weitere Untersuchungen durchführen.
    Wer das Ergebnis der Pflanzenaufnahme in einer Gruppe auf der „PlantNet“ Plattform einsehen möchte, folgt bitte diesem Link < https://identify.plantnet.org/en/groups/37269273969/ >. Hier sind alle Pflanzenarten mit Bildern dokumentiert und die Fundstellen in einer Karte markiert.

Was bedeutet Sukzession?
„Die Sukzession beschreibt in der Ökologie die natürliche Rückkehr von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in ein Ökosystem, nachdem es gestört wurde.“

Tom Gurtmann
1.vorsitzender@naturfreunde-bad-emstal.de

Das Bild zeigt das Naturfreundehaus im Bau. Die dunklen Flecken auf der Wiese unterhalb stind Heidekrautflächen

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