Unser Jubiläumsfest am 9.7.2022
Rückblick auf über 100Jahre Naturfreunde
Die NaturFreunde wurden 1895 als Touristenverein in Wien gegründet. Die Wanderbewegung schwappte bald auch nach Deutschland über, wo die Gründung von Ortsgruppen durch den 1. Weltkrieg vorerst unterbrochen wurde. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs bildeten sich in vielen Gemeinden Wanderclubs, zu denen auch Musikgruppen gehörten. Es wurde auf Mandolinen und Gitarren gespielt und dazu gesungen. So auch in Sand, wo junge Menschen sich zum Mandolinenclub „Waldeslust“ zusammenschlossen. Am 20. Juni 1920 fand die Gründungsversammlung in der Gastwirtschaft „Zum kühlen Grunde“ statt. Die Mitgliederzahl wuchs beständig und von den Vereinsbeiträgen konnten neue Instrumente angeschafft werden. Es wurde nicht nur musiziert, sondern auch regelmäßig gewandert oder getanzt. Heinrich Kimm schlug im November 1921 vor, dem Tourismusverein „Die Naturfreunde“ beizutreten. Auf der Gründungsversammlung am 18. Dezember 1921 wurde dieser Vorschlag angenommen und Willi Heinemann zum 1. Vorsitzenden gewählt.
Durch den Anschluß an die große Organisation NaturFreunde Deutschlands war man nun durch die Versammlungen in der ganzen Republik unterwegs.
1923 plante der Verein die Errichtung einer Schutzhütte am Emserberg, aber die Inflation machte diese Pläne zunichte. Dafür wurde viel in der näheren Umgebung gewandert, übernachtet wurde in Heuschobern und Scheunen. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurde die politische Lage immer kritischer, der Tourismusverein „Die Naturfreunde“ wurde als staatsfeindlich eingestuft und verboten, die Ortsgruppe Sand musste sich auflösen, Vereinsunterlagen vernichtet werden.
Das Ende des 2. Weltkriegs 1945 ermöglichte es den ehemaligen Mitgliedern, sich wieder frei und offen zu treffen. Als antifaschistische Organisation war es den NaturFreunden vielerorts schnell möglich, die Erlaubnis zur Neugründung zu erhalten. Außerdem versuchten sie, ihre von den Nazis beschlagnahmten Häuser, wie das Meissnerhaus, zurück zu erhalten. Die erste Versammlung der Naturfreunde in Sand war im August 1947 zur Reaktivierung des Vereins. Im Mai 1949 beschloss die Generalversammlung der Naturfreunde ein eigenes Haus am Emserberg zu bauen und beantragte bei der Gemeinde Sand einen kostenlosen Bauplatz, sowie den Abbruch der Schulscheune und Überlassung des Materials dem Verein der Naturfreunde. Die Anträge wurden bewilligt, so dass im Juli 1949 mit den Bauvorbereitungen begonnen werden konnte: Materialbeschaffung, Ausschachtarbeiten, Fundamentarbeiten. Die Grundsteinlegung wurde im Mai 1950 mit Beteiligung mehrerer Ortsgruppen gefeiert. Zu diesem Anlass wurde der Bauplatz den Naturfreunden als Eigentum überlassen. In völliger Eigenleistung wurde nun mit dem Bau begonnen: viele der Helfer hatten solche Tätigkeiten noch nie durchgeführt, was das Arbeiten erschwerte. Das Richtfest fand im November 1950 statt. Fertiggestellt wurde das Haus nach zweijähriger Bauzeit im September 1951, am 16.9.1951 wurde das Haus feierlich eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben. Gleichzeitig konnte der Verein sein 30-jähriges Bestehen feiern. Das Haus erfreute sich steigender Beliebtheit bei den Tourismusfreunden und wurde bald zu klein. Da das Haus ständige Betreuung erforderte, wurde 1955 mit Hilfe eines Darlehens seitens der Gemeinde Sand eine Hüttenwohnung angebaut, in dem das Ehepaar Heinemann als Hauswarte einzog. Außerdem überließ die Gemeinde den NaturFreunden eine alte Umkleidekabine, die als Fahrradschuppen genutzt wurde und später den Kanuten als Bootshaus diente. Es herrschte eine reges Vereinsleben mit Wanderungen und Fahrten und Teilnahme an großen Versammlungen sowie Urlaubsfahrten und Reisen im europäischen Raum. Auch Lichtbildvorträge von Freunden und Berg- Wandern bereicherten das Miteinander.
Und wichtig waren die Erhaltungsarbeiten und Neuerungen am Naturfreundehaus, die ausschließlich in Eigenleistung erbracht wurden: 1956 wurde eine Kleinkläranlage gebaut, sanitäre Anlagen und eine Wasserleitung installiert. In den 60er Jahren wurde vor dem Haus ein Freisitz errichtet, der später überdacht wurde. Das Haus musste zur Entwässerung an die Kanalisation der Gemeinde angeschlossen werden. Im Haus wurden zwei Zimmer an die Warmwasserleitung angeschlossen und ein weiteres Zimmer angebaut sowie die Fassade neu gestrichen.
Gebrauchsgegenstände wie Bettwäsche, Geschirr und Einrichtungsgegenstände mussten erhalten und ersetzt werde. Da konnte oft auf Spenden zurückgegriffen werden.
Das Haus erfreute sich auch großer Beliebtheit bei ausländischen Gästen, es wurden durchschnittlich 4000 Übernachtungen im Jahr verzeichnet. Die Arbeiterwohlfahrt kam regelmäßig mit etwa 80 Kindern in das Haus sowie Kindergruppen aus Berlin. Viele Gäste reisten inzwischen mit Autos an, so dass ein Parkplatz nötig wurde.
In den 70er Jahren wurde die Zufahrt zum Haus und der Parkplatz asphaltiert, eine Zentralheizung im Haus eingebaut und die Sanitäranlagen im Untergeschoß erneuert. Durch Zukauf konnte das Grundstück um den Spiel- und Zeltplatz erweitert werden und damit die Attraktivität noch verbessert werden. Es gründete sich die „Gruppe Falkenstein“, deren Ziel es war, die Ruine Falkenstein zu restaurieren und erhalten, heute ein beliebter Ort bei Wanderungen in der Umgebung und des Habichtwaldsteigs. Außerdem trat man der Sport- und Kulturvereinigung Bad Emstal bei.
1980 – 2000 wurde ein Anbau geplant und fertiggestellt, ein Biotop am Zeltplatz eingerichtet , der Kinderspielplatz fertiggestellt und der Anbau aufgestockt. Die Küche wurde mit Nirostaeinrichtung „professionalisiert“, später kamen noch weitere Einrichtungen sowie der Lastenaufzug dazu. 1995 wurde mit dem Bau der Backhauses begonnen, das 2001 fertiggestellt und in Betrieb genommen wurde. Es erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit bei verschiedensten Aktivitäten übers Jahr verteilt. Eine weitere Modernisierung war die Installation einer Solaranlage.
2004 wurde eine Vereinsgemeinschaft mit den „Freien Kanu- Sportlern“ gegründet, die den alten Fahrradschuppen als Bootshaus nutzen durften. Ab jetzt waren die Naturfreunde mit ihrer eigenen Homepage „ mit der Welt verbunden“. Es folgte eine Hotline für Hausbelegungsanfragen und ein offener Hotspot . Die Feuerhütte bekam eine Feuerstelle, die für viele gemütlich- warme Zusammenkünfte genutzt wurde/wird und eine Außenüberdachung um die Feuerhütte. Für den Bootsanhänger wurde ein Unterstand neben dem Backhaus gebaut, für die Kindergruppe ein Bauwagen organisiert, der seinen Standort am Biotop bekam und den die Kindern nach ihren Wünschen einrichten und nutzen konnten.
Da der Bootsschuppen allmählich zu klein und auch baufällig wurde, kamen Überlegungen und Planungen zum Neubau eines Bootshauses auf dem Gelände der Zeltwiese auf, mit dem 2015 begonnen wurde und mit viel Eigenleistung im Oktober 2018 seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Es bietet außerdem den Kanuten und Nutzern der Zeltwiese sanitäre Einrichtungen und eine Küche.
Auch in die Sicherheit im Naturfreundehaus musste einiges investiert werden, z.B. der Bau eines Fluchtsteges, weitere Maßnahmen folgten und sind in Planung.
Vereinsraum, Besprechungsraum und Jugendraum wurden renoviert und neu gestaltet, Duschen und Herrentoilette im Untergeschoß neu gebaut. Ein Tipi für den Zeltplatz angeschafft, was leider im Frühsommer zerstört wurde. Eine freundliche Spende der Firma Abenteuer4ma, die regelmäßig mit ihren Gästen im Naturfreundehaus Ferienmaßnahmen durchführt, ermöglicht im nächsten Jahr das Tipi – Angebot weiterführen zu können.
Eine weitere große Maßnahme war der Neubau der Zufahrtsstraße, die notwendig wurde, weil große Fahrzeuge, z.B. Müllabfuhr oder Busse, immer größere Probleme hatten, das Haus zu erreichen.
Im Jahr 2017 wurde im Bereich Bad Emstal der NaturaTrail „Waldmeisterweg“ realisiert, unterstützt durch verschiedene öffentliche Institutionen und maßgeblich organisiert mit einer Schüler- AG der Christine- Brückner- Schule in Sand. Bei der Eröffnung war der damalige Regierungspräsident Walter Lübcke als Redner zu Gast.
Seit 2020 „bewohnen“ auch Vierbeiner das Areal am Naturfreundehaus: Mutterziegen mit ihrem Nachwuchs, die mit ihrem Verbiss die Renaturierung/ Sukzession des Hanges unterhalb des Naturfreundehauses erreichen sollen.
Letztes Projekt ist die Einrichtung eines Umweltlabors: der alte Bootsschuppen wurde abgerissen und durch ein stabiles Holzhaus ersetzt, in dem ab 2022 verschiedenste Aktionen im Bereich der Naturerforschung angeboten werden.
Neben all diesen Maßnahmen zur Erhaltung und attraktiven Gestaltung des Naturfreundehauses wurde natürlich auch das Hauptanliegen der Naturfreunde gepflegt: sozialpolitische Belange, wie Teilnahme an Friedensmärschen, Integration z.B. der Migranten, Gemeinschaftspflege wie Seniorentreffen, Wandern, Sonnenwendfeuer. Außerdem steht den Mitgliedern ein breit gefächertes Angebot an Aktivitäten für alle Altersgruppen: Kinder- und Jugendgruppe, Seniorentreffen, Backhausgruppe, Kanuten, Wandergruppe, Kochgruppe, Literaturgruppe/ Lesekreis, Bierbrauen, Spielgruppe, lokale Entwicklung, Filmabende und eine Bibliothek. Diese Gruppen treffen sich regelmäßig. Von März 2020 bis Juni 2021 war das Naturfreundehaus wegen Corona komplett geschlossen. Im September 2021 ist es 70 Jahre „alt geworden“.
Besonders zu erwähnen ist auch die Unterstützung und Mitarbeit bei der Integration der Flüchtlinge 2016 in Sand.
Vorsitzende der Naturfreunde waren 1921 – 1933 und 1945 – 1971 Willi Heinemann, 1971 – 2010 Bertold Schmidt, 2010-2023 Gerhard Raabe, seit 2023 Thomas Gurtmann.